Agroforst
Bäume finden wieder auf den Acker zurück
Die Agroforstwirtschaft ist eine Landnutzungsform, bei der Gehölze in Kombination mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen oder mit der Haltung von Nutztieren angebaut werden.
Agroforstwirtschaft ist ein landwirtschaftliches System, bei dem Bäume, Sträucher und/oder Waldgebiete in landwirtschaftliche Flächen integriert werden. Es handelt sich um eine Form der multifunktionalen Landnutzung, bei der Bäume und landwirtschaftliche Nutzpflanzen in Kombination angebaut werden und sich dabei gegenseitig in ihren ökosystemaren Wirkungen ergänzen. Mehrjährige Gehölzstrukturen in der Landschaft als Windschutzhecken, Streuobstwiesen oder Viehweiden mit Gehölzkomponenten haben in unserer Kulturlandschaft als sogenannte traditionelle Agroforstsysteme eine lange Historie. Heute werden sie aufgrund ihrer vielseitigen Umweltleistungen im Landschaftssystem zunehmend wichtiger. Die Agroforstwirtschaft fördert insbesondere die Biodiversität, da sie verschiedene Pflanzenarten und mit diesen interagierende Tierarten in einem einzigen System integriert. Da Tiere und Pflanzen ihre Lebensräume gemeinsam bewohnen, stehen sie in stetigem Informationsaustausch.
Agroforstwirtschaft erfordert spezielles Wissen und Know-how, um erfolgreich umgesetzt zu werden. Landwirt*innen müssen Fortbildungen erhalten, um zu lernen, wie man Bäume und Nutzpflanzen effektiv integriert und verwaltet, um die gewünschten Vorteile zu erzielen.
Mit dem Einsatz in Agroforstprojekten will das Bergwaldprojekt einen Beitrag dazu leisten diese Landnutzungsform zu fördern und das Lernen und Wissen zu verbreiten.
Hintergrund
Mit der Flurbereinigung und dem Neuordnungsverfahren in den 1950er Jahren sowie der steigenden Intensivierung und Mechanisierung der Agrarlandschaften wurden wertvolle strukturgebende Gehölzpartien und Baumareale nach und nach aus der Landschaft ausgeräumt. In weitläufigen Monokulturen belasten jahrzehntelanger Maschinen-, Pestizid- und Düngereinsatz auch die angrenzenden anderen Landschaftsbereiche und Ökosysteme. In den letzten 27 Jahren ist die Insektenbiomasse in Deutschland um 75 % zurückgegangen. Dieser Rückgang war mit ursächlich für den starken Verlust vieler Brutvögel in Zentraleuropa. Weitere Folgen werden sich auch auf angrenzende Ökosysteme auswirken. Siehe Krefelder Studie
Bedeutung
Die industrielle Landwirtschaft, die auf Monokulturen und Massentierhaltung basiert, funktioniert nur mit einem hohen Einsatz an Pestiziden und synthetischen Düngemitteln auf Äckern, Antibiotika und importierten Kraftfuttermitteln in Ställen.
Die Folgen dieser industrialisierten Landwirtschaft stellen große Herausforderungen an die landschaftsökologischen und die sozialen Systeme. Erosion, Eutrophierung in Ökosystemen durch starken Düngereinsatz, Bodenmüdigkeit und massive Einwirkungen auf vielfältige Lebensräume, zunehmende Ernteausfälle, soziale Unsicherheiten, reduzierte Ernährungssouveränität, u.v.m..
Die Biodiversitätskrise und die immer stärker werdenden Extremwetterphänomene wie extreme Starkniederschläge oder Trockenheitsperioden verändern zunehmend unsere Landschaft mit Langzeitfolgen für die Gesellschaft.
Agroforstsysteme weisen eine höhere Resilienz gegen Wetterextrema auf als industrielle Agrarwirtschaft. Schon aufgrund der fortschreitenden Klimakrise ist es vorrauschauend und deshalb vernünftig die heutigen Agrar- und Offenlandschaften strukturreicher zu gestalten und ein Netz an Baum- und Gehölzstrukturen in die bestehenden Landschaftsnutzungssysteme zu integrieren. Agroforstsysteme suchen nach multifunktionalen Lösungen, die vielseitigen Nutzen für die Kulturen, für die im Austausch stehenden Ökosysteme und langfristig für die Gesellschaft haben. In modernen Agroforstsystemen werden auch in Kombinationen Obstbaumkultur, Wert- und Edelholzproduktion, Frucht- und Nußsträucherhecke oder Energieholz auf Acker- und Grünlandflächen integriert. In manchen Formen wird auch die Haltung von Nutztieren kombiniert wie z. B. Hühner, die als ursprüngliche Waldrandbewohner zwischen Bäumen messbar gesünder sind als auf kahlen Wiesenflächen.
Die Integration von Gehölzstrukturen auf Acker- und Grünland ermöglicht es, die Agrarökosysteme zu revitalisieren. Dazu werden Möglichkeiten für Lebensräume und ökologische Nischen geschaffen, um die Biotopvernetzung zwischen diversen Ökosystemen zu reaktivieren. Agroforstsysteme dienen als wertvolle Trittsteinbiotope und Wanderkorridore. Damit kann vielen Tier- und Pflanzenarten bei weiterer Veränderung der Umweltbedingungen und Konkurrenzverhältnissen ein Zugang zu Ausweichhabitaten ermöglicht werden. Konkurrenzschwache und deshalb oft schon gefährdete Arten werden dadurch besonders gefördert.
Die Barrierefunktion der Bäume und die intensivere Erschließung des Wurzelraumes, wirken der Erosion durch Wind und Wasser entgegen und tragen so zum Schutz des Bodens bei.
Baumreihen schützen umliegende aquatische und terrestrische Ökosysteme vor Eutrophierung durch Düngereinträge.
Agroforstsysteme wirken ausgleichend auf den Wasserhaushalt und durch Beschattungs- und Verdunstungseffekte auf das Mikroklima. Das erhöht die Resilienz der Kulturen in zunehmenden Trockenperioden.
Durch die Reaktivierung der Bodenbiologie wird verstärkt Humus aufgebaut, der die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöht. Zunehmende Starkregenereignisse können damit abgepuffert werden und reduzieren den unmittelbaren Wasserabfluss in Bächen und Flüssen. Dies trägt auch zur Befeuchtung und zu einer Erhöhung der Bodenfeuchte in der Landschaft bei.
Agroforst erhöht die Ertragsstabilität landwirtschaftlicher Flächen, bietet Diversifikationsmöglichkeiten für das Produktportfolio und steigert die regionale Wertschöpfung
Agroforstsysteme fördern auch den Erhalt sozio-kultureller Werte, die mit der Landschaftsnutzung und den Landschaftsökosystemen verbunden sind.
Lebensräume und Ökosysteme sind vielfältig durch Wasserkreisläufe, Nährstoffwege und viele andere Informations- und Energieübertragungen bis hin zu Wanderaktivität von Arten miteinander verbunden. Um Ökosysteme wiederherzustellen und zu schützen, müssen wir unsere Landschaft zusammenhängend betrachten und das Zusammenspiel und den Nutzen natürlicher Netzwerke erkennen. Biodiversersität in der Struktur der Landschaft erhöht die Resilienz der Lebensgemeinschaften. Die Herausforderungen für agroforstorientierte Landwirte sind wegen des erhöhten Aufwands für händischen Pflanz- und Pflegearbeiten groß.
Typische Arbeiten in unseren Agroforstprojekten sind Pflanzungen von Bäume und Sträuchern auf Äckern und Wiesen, Pflegemaßnahmen in bestehenden Gehölzkulturen, Schutzmaßnahmen gegen Wildverbiss, Obstbaumpflege oder Wiesenmahd.